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Der Elysée-Vertrag – Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland

Der Partnerschaftsverein Aspach-Chemille e.V. erinnert an die Unterzeichnung des Elysée-Vertrages vor sechzig Jahren am 22. Januar 1963. In ihm legten Deutschland und Frankreich die Grundlage für eine beispiellose, herausragende Kooperation und einen intensiven Austausch.

Junge Männer in Uniformen, abgebildet auf alten Schwarzweißbildern, erinnerten noch vor Jahrzehnten in deutschen Familien an Väter, Brüder, Söhne und Ehemänner die im Ersten oder im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Junge Leute von heute können mit dem Begriff des französischen „Erbfeindes“ glücklicherweise nichts anfangen. Allenfalls aus dem Geschichtsunterricht und nicht aus eigener Erfahrung könnten sie wissen, dass sich Deutsche und Franzosen in den letzten 150 Jahren in drei verheerenden Kriegen gegenüberstanden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs beiderseits des Rheins langsam die Einsicht, dass es so nicht weitergehen konnte. Es war offensichtlich, dass sich Denkmuster und Verhaltensweisen im deutsch-französischen Verhältnis ändern mussten, dass nicht Rache und Vergeltung für die in Jahrzehnten gegenseitig zugefügten Verletzungen, sondern Reue und Vergebung notwendig waren. Sie bildeten mit den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Kontakten und Begegnungen von Deutschen und Franzosen die Grundlage für die Aussöhnung. Beispielhaft erwähnt sei die erste vereinbarte Städtepartnerschaft 1950 zwischen Ludwigsburg und Montbéliard.

Die deutsch-französische Aussöhnung entwickelte sich nicht zuletzt zu einer Herzensangelegenheit zweier Staatsmänner, des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer und des französischen Präsidenten Charles de Gaulle. Um zu verdeutlichen, wie wichtig ihm ein Zusammentreffen war, lud de Gaulle 1958 Adenauer sogar in sein Privathaus in Colombey-les-Deux-Eglises ein – eine Ehre, die keinem anderen Regierungschef jemals zuteilwurde. De Gaulle schrieb später in seinen Erinnerungen über das „Wunder von Colombey“, dass gerade die Kulisse seines Familienhauses anstelle eines Palastes für die historische, persönliche Aussprache zwischen dem „alten Franzosen“ und dem „sehr alten Deutschen“ wichtig war.


Vier Jahre später, im Juli 1962, besuchte Adenauer Frankreich. Symbolisch für den Prozess der Aussöhnung feierten er und de Gaulle in der Kathedrale von Reims gemeinsam eine Messe. Zwei Monate später, im September 1962, besuchte de Gaulle sechs Tage lang die Bundesrepublik Deutschland. Nach Empfängen, Begegnungen und politischen Gesprächen mit Adenauer wandte sich de Gaulle am zweiten Tag seiner Reise auf dem Bonner Marktplatz erstmals direkt an die Deutschen, wie später auch bei seinen weiteren Reisestationen in Köln, Düsseldorf und Duisburg, Hamburg, München, Stuttgart und Ludwigsburg. Überall hatten ihn mehrere Zehntausend Menschen mit großem Jubel begrüßt und – nachdem de Gaulle seine freien Reden ausschließlich in deutscher Sprache hielt – enthusiastisch gefeiert. Der französische Staatspräsident setzte damit ein nachdrückliches Zeichen für seine besondere persönliche Verbundenheit zu Deutschland. Denn nach der Schlacht von Verdun 1916, in der 338.000 deutsche und 364.000 französische Soldaten gefallen waren, geriet er als schwer verwundeter Offizier selbst in deutsche Kriegsgefangenschaft und erwarb hier seine deutschen Sprachkenntnisse.


Am 9. September 1962 hielt Charles de Gaulle in Ludwigsburg eine ganz besondere „Rede an die deutsche Jugend“. Die 10.000 Zuschauer im Hof des Ludwigsburger Schlosses waren vor allem junge Menschen der ersten Nachkriegsgeneration. Unter ihnen war auch der spätere Bundespräsident Horst Köhler. de Gaulle sprach frei und wieder auf Deutsch. Er bezeichnete die Deutschen als ein großes Volk, das aber im Laufe seiner Geschichte manchen großen Fehler gemacht, aber der Welt auch geistige, wissenschaftliche, künstlerische und philosophische Erkenntnisse gebracht habe. Seine Rede war kein Blick zurück, sondern die Vision einer deutsch-französischen Zukunft – einer Zukunft in Freundschaft.

Die Aspacherin Irmtraut Leiter-Schuler ist Zeitzeugin der Rede de Gaulles. Rückblickend erzählt sie, damals „war ich 14 Jahre alt. Wir wohnten direkt neben dem Schloss Ludwigsburg. Mein Vater äußerte sich zu diesem Ereignis sehr positiv. Das machte mich neugierig. Besonders beeindruckt war ich von den beiden Staatsmännern. In meinem Gymnasium wurden Partnerschaften zu Montbéliard aufgenommen. Seit damals habe ich enge Beziehungen nach Frankreich.“

Die großen Reden und Gesten während der Besuche Adenauers in Frankreich und de Gaulles in Deutschland sollten Emotionen wecken und die jeweilige Bevölkerung dafür gewinnen, dass sich beide Länder intensiv und eng miteinander verbanden. Der eigentliche Festakt zum Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 war dagegen vergleichsweise nüchtern. Der Vertrag sah regelmäßige Treffen und Beratungen der Staats- und Regierungschefs, sowie der beiden Außenminister vor. Im Zuge dieses Vertrages wurde das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet. Es hat seit seinem Bestehen fast zehn Millionen jungen Menschen ermöglicht, das jeweilige Nachbarland kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen.

Text von Carsten Eichenberger

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